Zeit für neue Freunde: Kavalan.

Alles im Leben hat seine Zeit. Es gibt Zeit für die Liebe, Zeit für Trauer, Zeit für Freude. 
Es gibt Zeit für schottischen Whisky, für Bourbon und für Whisky aus Fernost. 
Und es gibt Zeit für Freundschaft. Letztes Wochenende war es für mich an der Zeit, die traurigen Gefühle hinter mir zu lassen, fröhlich zu sein und neue Freundschaften zu schließen. 
 
Und es war auch endlich Zeit, mich einem Thema zu widmen, das schon lange auf meiner Wunschliste steht: Kavalan. Der Whisky aus Taiwan. 


Die Heiterkeit hat mich schon übermannt - oder vielleicht sollte ich sagen  überfraut - als ich in Oberursel in das Auto meiner Mitfahrgelegenheit eingestiegen bin. Zusammen mit Julia Nourney habe ich mich auf den Weg Richtung Süden gemacht, zu Whisky-Bloggerin Petra Milde von "meinwhisky.com", die uns zu einem privaten Kavalan-Tasting eingeladen hatte.

Und Julia ist nicht nur eine ausgezeichnete Whisky-und-Spirituosen-Expertin, sondern auch eine unglaubliche Muntermacherin. Ihre gute Laune war ansteckend, und das Gekicher und Gelache sollte für den Rest des Wochenendes kein Ende mehr nehmen. Wenn jemand behauptet, dass Arbeit keinen Spaß machen kann, der kennt Julia nicht.


Viel vorgenommen hatten wir uns an diesem Wochenende, denn neben Whisky sollten auch noch diverse Gins und Rums verkostet werden. Mich hat natürlich vorrangig der Whisky interessiert. Den Single Malt aus Fernost hatte ich schon des öfteren auf verschiedenen Messen probiert, aber zu einer echten Verkostung hatte es bisher noch nicht gereicht.

Und genauso sehr  wie mich die Frage interessierte, wie der Kavalan wohl im detaillierten Vergleichstest abschneiden würde, interessierte mich die Frage, ob es wohl einen Unterschied in der Bewertung zwischen mir, dem Hobby-Verkoster, oder Petra und Julia, den Spirituosen-Profis, geben würde.


Kavalan


Kavalan gehört zu den jüngeren Neugründungen der letzten Jahre, erst 2005 wurde die Brennerei errichtet, und im März 2006 konnte der erste New Make in die Fässer gefüllt werden. Gebrannt wird in 4 Pot Stills, 2 Wash Stills mit jeweils 12.000 l, und 2 Spirit Stills mit jeweils 7.000 l.

Dass in Taiwan schottische Brennblasen der Firma Forsyths zum Einsatz kommen, hat seinen Grund. Denn beraten wurde der Firmengründer von Kavalan, Tian-Tsai Lee, von niemand geringerem als dem schottischen Whisky-Experten und Chemiker Dr. Jim Swan, der unter anderem auch für die walisische Brennerei Penderyn und die geplante israelische Brennerei Milk and Honey tätig wurde.

Angeblich hatte Tian-Tsai Lee, dem auch die taiwanesische King Car Group gehört, zunächst eine Brennblase aus Deutschland favorisiert und auch erworben. Doch auf Anraten von Dr. Swan wurden dann doch schottische Pot Stills angeschafft und die Brennblase aus Deutschland soll seither irgendwo in der Brennerei nutzlos herumstehen.

Von deutschen Brennblasen habe ich wenig Ahnung. Aber der Gedanke, dass nicht nur in meinem Kleiderschrank überflüssige Fehlkäufe ihr klägliches Dasein fristen, sondern dass auch hochkarätige Manager vor Fehlkäufen nicht gefeit sind, beruhigt mich  ungemein. 


Laut Website stammt das ungetorfte Malz aus Schottland und Finnland, aber alle weiteren Verarbeitungsschritte, also Schroten, Maischen, Gären, Destillieren und die Reifung, finden tatsächlich in der Brennerei in Taiwan statt.

Seit 2013 sind die Whiskys von Kavalan auch in Deutschland erhältlich. Petra hatte bei der Markteinführung das große Glück,  von Master Blender Ian Chang bei seinem Deutschland-Besuch einige Kavalan-Proben zu erhalten. An diesem Wochenende sollten die kleinen Flaschen endlich geöffnet werden.



Und dann konnte ich einmal echte Profis in Aktion erleben. Natürlich interessierte mich sehr, wie professionelle Verkoster einen Whisky bewerten, und Julia, die schon bei vielen internationalen, hochkarätigen Wettbewerben mit in der Jury gesessen hat, gab bereitwillig Auskunft.

Am Ende schwirrten mir ganz schön die Ohren, denn ich habe weder vom Destillieren noch von Fehlnoten eine Ahnung, und neutral bin ich auch nicht. Ich bin subjektiv: mich interessiert, ob und wie mir ein Whisky schmeckt - warum er mir schmeckt, ist mir eigentlich egal und ich überlege bestenfalls, ob ich mir oder meinem Schatz diesen Whisky auch einschenken würde.

Julia und Petra hingegen bewerten nicht nur den Geschmack, sondern auch die technische Qualität der Spirituose, und dementsprechend gibt es bei den Bewertungen auch die ein oder andere deutliche Abweichung. Doch am Ende fanden wir unseren Favoriten, und es gibt tatsächlich eine Abfüllung, die von uns allen ein Gold Outstanding erhalten würde.



Und hier die Verkostungsnotizen im Detail: (Punktesytem 0-10)


Nr.1 : King Car Conductor. 46%, 196 ml

Aroma: Pudding-Creme,Trockenfrüchte, Vanille, Orangeade, Papaya, ein bißchen Sherry, Getreide
Geschmack: getreidig, würzig, bitter, weiße Grapefruit-Haut, pfeffrig
Nachklang: mittel, bitter
Fazit: ganz ok, aber mir ist er zu bitter. 7 Punkte.


Nr. 2: Kavalan Single Malt. 40%, 200 ml

Aroma: frischfruchtig,Zitrus, zart, leicht, hell, etwas Sherry, leicht nussig,
Geschmack: würzig, leicht bitter, etwas dünn und blass im Geschmack, die 40% tun ihm nicht gut, 43% wären hier besser gewesen.
Fazit: Haut mich nicht um. 7 Punkte.




Nr. 3: Kavalan Concertmaster. Port Cask Finish. 40%.

Aroma: Hauch von Schwefel, Kardamom, Jasmin,
Geschmack: zarte, angenehme Bitternote,
Fazit: der Concertmaster polarisiert. Er weicht deutlich von den anderen beiden ab, was ich dem Portweinfass zuschreibe, Julia aber als Fehlnote interpretiert. Ich finde ihn interessant und spannend, ein Whisky für Individualisten und heiße Sommerabende. Ich mag schwarze Schafe. 8 Punke.
 

Nr. 4: Kavalan Solist. Ex-Bourbon Cask. 58,2%. Fassstärke.

Aroma: sehr seidig, cremig, viel Birne, gekochte gelbe Früchte, Vanille, Honig, süß,
Geschmack: die Birne dominiert. Durch die Zugabe von Wasser wird die Birne sehr dominant, fast wie bei einem Williams-Christ-Obstler.Vollmundig.
Nachklang: intensiv, mittellang, dunkel
Fazit: eine Bourbon-Fass-Reifung von der besten Sorte. Die Birne überzeugt mich. Auf jeden Fall ein Favorit. 9 Punkte.


Nr. 5: Kavalan Solist. Vinho Barrique Finish. 57%. Fassstärke.


Aroma: dunkel, ölig, nussig, voll, caramellig,
Geschmack: trocken, viel Holz, würzig, dunkle Schokolade.
Nachklang: eher kurz, bleibt auf der Zunge liegen. Ein schöner Whisky für den späten Abend.
Fazit: Für ein Weinfassfinish überraschend vollmundig. Deshalb 9 Punkte.


Nr. 6: Kavalan Solist. Sherry Cask Finish. 58,7%. Fassstärke.

Aroma: Honig, dunkle Karamellbonbons, Mandel, Nuss, sehr vollmundig, stark
Geschmack: trocken, holzig, ganz viel Karamellbonbons und dunkle Schokolade.
Nachklang: kurz und trocken, warm, bleibt auf der Zunge liegen.
Fazit: Aroma-Monster. Holzbock. Groß, stark, dunkel. Der wär was für Schatzi. Und späte Abende am warmen Kamin. Soviel Wucht beeindruckt mich. 10 Punkte. 



Unser Gewinner des Abends ist am Ende eindeutig der Solist Bourbon Cask Finish. Er ist der einzige, der bei uns allen vier gleichermaßen Begeisterung weckt. Deshalb für ihn eine eins mit Sternchen.

Doch auch ich bin an diesem Abend ein Gewinner, denn ich habe nicht nur viel gelernt, sondern auch neue Freunde gefunden:  Julia. Petra. Frank. Und Kavalan.


PS: Ein herzliches Dankeschön an Frank, der uns hervorragend bekocht und bewirtet hat. Und ein ganz großes Dankeschön an Petra und Julia, die ihren Whisky, ihre Zeit und ihre Expertise mit mir geteilt haben. Es war superschön mit euch!

... mehr zumThema findet ihr in Petras Blog: Mein Whisky

Kommentare

  1. Schön zu hören, dass du wieder Freude an den schönen Nebensächlichkeiten des Lebens gefunden hast! Weiter so :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für deine aufmunternden Worte, das tut gut. Das Leben ist halt kein langer, ruhiger Fluss, sondern eher eine ständige Berg- und Talfahrt;-)

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

THEMA: Tips für ein gelungenes Whisky-Tasting - die 10 besten Formate und was ihr dabei beachten solltet

TASTING NOTES: Ben Bracken 40 - gefärbt, gefiltert und bieder.

Warum "Blend" ein gefährliches Wort ist und was man darüber wissen sollte - Teil 1.

Hier stinkt was: Die Schattenseiten des Irischen Whiskey-Wunders

Lost Distilleries: Elizabeth Harvie and the Paisley Connection. Schluss

Whisky-Fair Limburg: Exclusive Interview with Whisky-Collector Diego Sandrin, Italy