Raritätentasting Siedenbüssow 2016

Einmal im Jahr lädt Uwe von Finest Whisky zum Raritäten-Tasting nach Siedenbüssow ein und verwandelt den alten Gutshof von Nils in ein Eldorado für Whisky-Fans. Dafür fahre ich sogar durch die halbe Republik. Im  letzten April war es wieder so weit. Und auch diesmal war die Auswahl an alten und längst vergriffenen Abfüllungen ein kleiner Traum.  


Uwe

Siedenbüssow liegt für mich nicht gerade um die Ecke. Doch der Alte Gutshof von Nils befindet sich  in einer wunderschönen Urlaubsregion und Nils und Uwe sind tolle Gastgeber. Drei Tage Whisky vom feinsten, in bester Gesellschaft und an einem Ort, der dazu einlädt, der Vergangenheit nachzuspüren sind drei gute Gründe, dass ich den weiten Weg auf mich nehme. Und diesmal gab es noch Grund Nummer vier: Blogger-Kollege Marcus aka "Whiskycuse" hat das Tasting vorbereitet und durchgeführt, und mit Marcus zusammen Whisky zu trinken ist immer ein ganz besonderes Vergnügen.

Marcus

Über "Das Gutshaus" und den generellen Ablauf des Wochenendes habe ich an anderer Stelle schon einmal berichtet - wenn es euch interessiert, könnt ihr das [hier] noch mal nachlesen. Natürlich war auch diesmal das ganze Wochenende eine Ansammlung von Höhepunkten.

Privatprogramm


Zum Gutshof gehört eine wunderschöne kleine Parkanlage, und gleich bei meiner Ankunft hat mein vierbeiniger Reisebegleiter für viel Gelächter gesorgt, als er kopfüber in den Teich fiel. Ich habe erst mal gar nicht gelacht, denn nasse Hunde stinken elend. Das war nicht unbedingt das Aroma-Erlebnis, das ich mir vorgestellt hatte. Doch Nils hat uns gerettet, wir durften die Dusche im Kellergeschoß benutzen und mein kleiner Freund duftete wieder.

Beim gemeinsamen Ausflug mit Marcus nach Usedom wurden wir dann auch nur von Wohlgerüchen begleitet und konnten die Schönheit der Insel und die Gastfreundschaft der Bewohner ohne Einschränkungen genießen. Allerdings hätten wir fast das große Tasting am Samstag Abend verpasst. Denn nach Siedenbüssow führt von Usedom aus nur ein einziger Weg - und das war leider nicht die Straße, für die ich mich entschieden hatte. Aber wir haben bei der Gelegenheit die Insel von einer sehr malerischen Seite kennengelernt.

Irgendwann kamen wir dann doch wieder im Gutshof an, und dem großen Raritäten-Tasting stand nichts mehr im Weg. Markus hatte aus dem reichhaltigen Fundus von Uwe einige wunderschöne Highlights ausgewählt, auf die ich mich schon seit Wochen freute. Und wir wurden nicht enttäuscht.



Das große Tasting


Natürlich hatten wir vorher alle gut gegessen,  Nils hat sich als Grillmeister wieder selbst übertroffen und das Büffet war unglaublich reichhaltig. Und dann konnte es endlich losgehen. Das Line-up bestand aus insgesamt 9 Whiskys aus den 60er und 70er Jahren.

Hier meine Tasting-Notes:


Dallas Dhu 17, Rare Highland Malt, 40%, Sestante

Aroma: beginnt sehr vielversprechend, viel Malz, schöne Fruchtnoten, deutlicher Sherry-Einfluß, harmonisch und zart, mit einer Prise Puderzucker

Geschmack: kräftig, aber nicht sprittig

Nachklang: mittellang und leicht trocken.

Fazit: ein sehr schöner und harmonischer Malt, klassisch, und ein wunderbarer Einstieg ins Tasting. Empfehlenswert.


North Port (Brechin), Finest Single Highland Malt, 15 Jahre, dest. 1974, abgef. 1989, Sherry Wood, 43%


Aroma: nach dem schönen Einstieg mit Dallas Dhu enttäuscht der North Port etwas, er kommt müde daher und sehr verhalten. Die dunklen Fruchtaromen riechen angestaubt. Ein paar Tropfen Wasser wecken ihn zwar auf und er bringt frische Apfelaromen hervor, wird dabei aber blasser.

Geschmack: Nicht schlecht, aber die Offenbarung bleibt aus. Er wirkt immer noch blass.

Nachklang: lang und sehr trocken, die Tannine dominieren sehr stark.

Fazit: Vielleicht haben wir diesem Malt nicht genug Zeit gelassen. Er wirkt kapriziös und verschlossen und will uns an diesem Abend nicht so recht überzeugen.


Benriach 1976, 36 Jahre, Single Cask Bottling, Cask 3031, bottled for and selected by Usquebaugh Society, Levenswater/NL, refill barrel, abgefüllt Nov. 2012, 43.1%

Aroma: was Nummer zwei vermissen ließ, will Nummer drei wieder wettmachen. Tropische Früchte in Hülle und Fülle, überreife Ananas, Mango, Banane und Vanille. Ich möchte das Glas gar nicht mehr aus der Hand geben.

Geschmack: Das Crescendo geht weiter. Wermut und Heidelbeeren, viele Kräuter und Wachs. Der gefällt mir. Over-aged, aber sehr komplex.

Nachklang: trocken und lang

Fazit: Benriach kann oft überzeugen. Auch diese Abfüllung ist markant und beeindruckend, der bleibt noch lange in Erinnerung. Uwes Liebling. Und meiner auch.


Glen Grant 1975, Sherry Wood Highland Malt Scotch Whisky, Samaroli, 45%

Aroma: dunkle Früchte, Holz, Karamellbonbons und  Zuckerrübensirup. Auch dieser Malt braucht Zeit, nach einer halben Stunde wird er wunderbar pudrig süß und auch der Geschmack wird noch voller.

Geschmack: sherrylastig, vollmundig und unglaublich elegant.

Nachklang: überraschend kurz

Fazit: Dieser Glen Grant überzeugt mit wunderbaren Duftnoten, und er kommt sehr schön auf der Zunge an. Aber dann bricht die Welle plötzlich zusammen und verebbt, noch ehe sie im Rachen angekommen ist. Schade. Aber ich jammere hier auf hohem Niveau.


P-A-U-S-E

McClelland's Very Rare Reserve, Blended Scotch Whisky, US Importers Great Lakes Wine Company Chicago, 86 Proof, wahrscheinlich frühe 60er Jahre, im Keramikkrug

Aroma: überraschend würzig, sherry-lastig und ganz ohne Vanille.

Geschmack: kräftig, fleischig und  viel Tabak

Nachklang: mittellang

Fazit: Überraschend stämmig. So viel Kraft und Fülle hätte ich von einem Blend nicht erwartet.


Bruichladdich Penny Black, 21 Jahre, abgef. 1989,  Moon Import, 3.216 Flaschen,

Aroma: sehr schöne Sherry-Noten, viele Trockenfrüchte, Rosinen, Feigen, wunderbar kräutrig, Thymian, Majoran, Liebstöckl, zarter Blumenduft und Karamell

Geschmack: üppig und füllig, alter Tabak, sehr schönes Mundgefühl, rund und harmonisch, am Ende mit leichtem Chili-Catch auf der Zunge

Nachklang: mittellang und sehr breit

Fazit: Ein wunderschöner vollmundiger und komplexer Whisky. Mir persönlich einen Tick zu scharf am Ende.


Glenburgie 1966, Natural High Strenght, Gordon & MacPhail, 57.6%

Aroma: trocken, malzig, zarte Vanille-Aromen und trotz seines hohen Alters  viel frischer und fruchtiger als der vorhergegangene "Bruichladdich Penny Black".

Geschmack: wunderbar vollmundig, würzig, zart ölig und wachsig, mit einem leichten Hang zur Seifigkeit.

Nachklang: lang und befriedigend

Fazit: trotz seines Alters ein wunderbar frischer Duft. Beeindruckend.


Lagavulin 15, 1979-1995, The Syndicate's, 59.2%

kurz und knapp: schmale Nase, breiter Geschmack.

Fazit: Vielleicht  muss ein Tasting ja mindestens ein Rauch-Monster  enthalten. Aber nach den  gestandenen Alt-Meistern, die wir zuvor im Glas hatten, wirkt dieser Jüngling von Islay doch etwas verloren. Er kann in dieser Riege nicht mithalten und wird am Ende auf einen der hinteren Plätze verwiesen.


Longmorn, 33 Jahre,1976-2009, The Perfect Dram, The Whisky Agency, Bourbon Hogshead, 52.5%,  168 Flaschen


Nase: Wunderschöne Fruchtnoten, viel Mango .... (den Rest meiner handschriftlichen Notizen kann ich nicht mehr lesen. Ist das wirklich schon der neunte Whisky?)

Geschmack: ölig, würzig, mit diesem typischen wachsigen, over-aged Geschmack von sehr altem Whisky. Wer drauf steht, wird diesen Longmorn lieben.

Nachklang: lang und weich.

Fazit: für alte Hasen. Oder Dachse.

 

Am Ende gab es dann noch eine Abstimmung, wem was am besten gefallen hat. Einen überragenden Sieger gab es diesmal nicht, die Abfüllungen waren qualitativ alle sehr hochwertig und die Auswahl war gar nicht so einfach. Die Gewinner des Abends waren:

1. Benriach
2. Glen Grant
3. Bruichladdich
4. Glenburgie
5. Longmorn

Zu guter Letzt hat Uwe dann wieder die Flaschenreste zur Freude der Teilnehmer meistbietend versteigert und 9 Menschen waren am Ende des Abends noch ein bißchen glücklicher als alle anderen. 

Wem der Weg nach Siedenbüssow zu weit ist, sollte mal bei Uwe's Laden in Berlin vorbeischauen. Auch dort finden hin und wieder ganz besondere Raritäten-Tastings statt. Das nächste übrigens am 26. August. Hier der link: Raritätentasting Finest Wisky

Mehr zum Thema:

Raritätentasting Siedenbüssow 2014

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