Lost Distilleries of Crief. Teil II: Mr and Mrs Halley, Coldwells

Die Coldwells Distillery erhielt ihr Wasser aus jener kalten Quelle, nach der sie benannt war: Coldwells. Diese Wasserquelle versorgte die halbe Stadt. Kein Wunder, dass das Wasser von Coldwells irgendwann knapp wurde. Die Besitzer der Brennerei hatten jedoch ganz andere Sorgen, und Mr und Mrs Halley beschäftigten fast zwei Jahrzehnte lang immer wieder die Gerichtshöfe des Landes.

Coldwells Distillery. Karte 1822, National Library of Scotland


Coldwells - die kalten Quellen


Die Coldwells Distillery ist eine von drei Brennereien, die nachweislich bereits 1812 in Crieff aktiv waren. Der Standort der Coldwells Distillery am nördlichen Ende der Stadt  läßt sich auch heute noch ziemlich  genau bestimmen: Sie ist auf der Karte von Woods von 1822 vermerkt. Ebenso wie Balnakittoch ist Coldwells im Stadtplan von 1820 eingezeichnet. Sie lag direkt an der Quelle, von der fast ganz Crieff ihr Wasser erhielt.

Ohne Wasser kein Whisky

Da Wasser für die Destillation ein wichtiger Standortfaktor ist, sollten wir an dieser Stelle zunächst einen genaueren Blick auf die Coldwells-Quellen werfen. Denn sie versorgten nicht nur die Einwohner der Stadt, von ihnen hing auch die Existenz von drei Brennereien sowie mehreren Brauereien und Gerbereien im Stadtgebiet ab.  Mit unseren heutigen Standards kann man die Wasserversorgung von damals übrigens kaum vergleichen. Alten Berichten zufolge floß das Wasser von Coldwells in  südwestliche Richtung offen über die Milnab-Road zur Brauerei von David Porteous, und versorgte auch die dort angesiedelten Gerbereien, um dann weiter aufs offene Feld hinaus zu fließen.  Die nahegelegene Balnakittoch-Brennerei wurde ebenfalls von Coldwells versorgt.

Ein weiterer Zufluss verlief über Comrie-Street und Galvinmore-Street südwärts hinab zur Bleichwiese der Stadt, der "Meadow", wo sich eine Brauerei sowie die dritte Brennerei der Stadt befanden. Auch der Brunnen am St. James Square erhielt sein Wasser von Coldwells. Neben Coldwells gab es noch zwei  Quellen in der Water-Wynd- und Mitchel-Street (Allegane Burn), die den östlichen Teil der Stadt mit Wasser versorgten. Dort betrieb  John M'Dougal 1837 ebenfalls eine Brauerei.

 
Crieff  1822

Fünfzig Jahre später war die Wasserquelle von Coldwells heillos überfordert: ein beständiges Anwachsen der Bevölkerung, zunehmender Tourismus und ausgedehnte Drainage-Arbeiten auf den Farmen der Umgebung sorgten immer wieder für beängstigende Wasser-Knappheit in den Sommermonaten. 1871 wurde ein neues Wasserprogramm für Crieff eingeführt und die Stadt mit Wasser aus dem nahegelegenen Loch Turret versorgt.

Anfänge der Brennerei


Doch zur Zeit der Coldwells Distillery war  Wasser noch kein Problem,  die Quelle sprudelte im Überfluß und lieferte das begehrte Naß für die "sichtbaren" und "unsichtbaren" Aktivitäten der Brennerei, wie ein Chronist viele Jahre später mit einem Augenzwinkern bemerkte. Ob er mit seiner Anspielung auf illegale Whisky-Produktion nun die Coldwells oder die nahegelegene Balnakittoch Brennerei im Sinn hatte, läßt sich nicht genau belegen - aber vielleicht traf es ja auf beide zu.

Die Informationen, die über Coldwells erhalten sind, sind vergleichsweise üppig, so dass wir uns ein recht genaues Bild vom Werdegang der Brennerei machen können. Gegründet wurde die Coldwells wahrscheinlich 1812 von David Halley & Co., einem Geschäftsmann und Getreidehändler in Crieff. Die ersten Jahre scheinen zunächst recht erfolgreich gewesen zu sein, doch die erste Krise ließ nicht lange auf sich warten. In den Jahren während der Wirtschaftsflaute, die nach dem Ende der Napoleonischen Kriege herrschte, war die Brennerei eine Zeit lang stillgelegt, 1816 wurde nachweislich nicht gebrannt. Doch 1817/1818 betrug die Produktionsmenge wieder 4.118 Gallonen.

Coldwells Distillery. Karte 1822, National Library of Scotland

Ein Jahr zuvor hat David Halley Elizabeth  Allan geheiratet, die er liebevoll "Betsy" nannte, und per Ehevertrag wurde ihr das lebenslange Nutzungsrecht, die sogenannte "liferent", von Wohnhaus und einigen anderen vererbbaren Besitzungen zugesichert. Auf dem weitläufigen Gelände der Halleys befand sich noch ein zweites Wohnhaus, ein großer Garten sowie ein anderthalb Hektar großes Grundstück. Die benachbarte Brennerei war von einer großen Weidefläche umgeben.

Man mag gerne glauben, dass Betsy diesen Ort für den Rest ihres Lebens nicht mehr verlassen wollte. Doch es sollte anders kommen.

1820 scheint sich die wirtschaftliche Lage wieder verschlechtert zu haben: Im Juli muss Mr. Porteous, den wir ja bereits aus der Balnakittoch-Brennerei kennen, Konkurs anmelden, im September sind auch David, John und James Halley insolvent. Doch die Coldwells Brennerei wird - wenn überhaupt - nur kurz stillgelegt. In den folgenden vier Jahren brennt Peter Halley insgesamt 12.617 Gallonen "Spirits", zwischen 1824 und 1826 brennt John Halley 23.913 Gallonen.

Auch David scheint nach einem einjährigen "Entschuldungs-Verfahren" wieder wirtschaftlich auf die Beine gekommen zu sein, in "Pigot's Directory" von 1825 finden wir ihn jedenfalls wieder als "Distiller, Coldwells".

Anfang vom Ende
Doch die Freude währte nicht lange, im Herbst 1826 brennt John Halley zum letzten Mal in Coldwells. Zu diesem Zeitpunkt hat er noch 1.216 Gallonen "Spirits" im Lagerhaus liegen. Im Mai 1827 melden David und John Halley erneut Konkurs an. Doch diesmal sollte es für die beiden nicht so glimpflich verlaufen wie beim ersten Mal.

Mrs Halley vor Gericht

Da die Halleys in den nächsten beiden Jahrzehnten immer wieder vor Gericht ziehen, sind sowohl das Bankrott-Verfahren als auch der Rechtsstreit um die Brennerei relativ gut dokumentiert, und die Prozessunterlagen geben uns eine wunderbare Gelegenheit, Einblick in das schottische Rechts- und Konkurs-Verfahren der damaligen Zeit zu erhalten. Zu meiner großen Überraschung ist Betsy, die Ehefrau von David, dabei durchaus mitspracheberechtigt, und tritt später auch als Mitklägerin auf. Schauen wir uns das Verfahren also etwas genauer an.



Am 10. Mai 1827 wird die Firma von David und John Halley für bankrott erklärt, ihr Besitz wird sequestriert, was in etwa einer staatlichen Beschlagnahmung gleichkommt.

Zwei Monate später, am 2. und 17. Juli erfolgt die öffentliche Befragung zur geschäftlichen Situation durch den Sheriff. Am 1. August bietet David Halley einen Vergleich mit einer Quote von 5 Shilling pro Pfund an und am 20. September werden die Gläubiger zu einer Sitzung eingeladen, um dem Vergleich zuzustimmen.

Im Januar 1828 wird ein sogenannter Treuhandvertrag abgeschlossen (Trust-Deed). Dazu werden von David und seiner Frau Betsy einvernehmlich sechs Treuhänder bestimmt. Da Betsy als "Liferentrix" gewisse Nutzungsrechte besitzt, müssen ihre Interessen entsprechend vertreten werden und sie bestimmt drei der Treuhänder, ihr Mann bestimmt die übrigen drei.

Im April 1828 tritt der Treuhandvertrag in Kraft, die Firma wird den Treuhändern übergeben und die Beschlagnahmung (Sequestration) wird aufgehoben. 

Vier der sechs von David und Betsy benannten Treuhänder lehnen das Amt jedoch ab, am Ende bleiben nur noch Schwager Andrew M'Robbie und der Notar John Gowans übrig. Schon bald wird klar, dass die Vorstellungen von David und Betsy einerseits und den von ihnen benannten Treuhändern andererseits weit auseinander klaffen. Denn Schwager Andrew ist einer der Hauptgläubiger, und hat vor allem sein eigenes Interesse im Blick. Und auch Notar Gowans hat für David und Betsy nur wenig übrig.

Im Oktober 1828 beschließen die beiden Treuhänder, nicht nur den mobilen Besitz der Schuldner zu verkaufen, sondern auch die gesamten Immobilien von David Halley öffentlich zu versteigern, einschließlich zweier Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäuden. Auch das Gelände mit der Brennerei soll verkauft werden. David und Betsy reichen sofort Protest gegen diese harte Maßnahme ein. Ein Verkauf würde ihre Lebensumstände dauerhaft beeinträchtigen.

Im März 1829 kommt es tatsächlich zur Versteigerung, und ein gewisser William Taylor, Händler aus Crieff, erhält den Zuschlag. Wie sich anschließend herausstellen sollte, hatte Taylor aber nicht für sich selbst gesteigert, sondern im Auftrag von Mr M'Ilvride, Betreiber einer Bierkneipe und eines Fuhrunternehmens in Crieff. Mr M'Ilvride hat ein besonderes Interesse an der angebotenen Immobilie, wie uns ein Blick auf die Karte von 1822 offenbart: er ist der Nachbar von David Halley, sein Grundstück reicht unmittelbar an das Grundstück und Wohnhaus von David Halley heran.

Die lieben Nachbarn.

Für David und Betsy ist die Lage alles andere als angenehm, sie legen Widerspruch bei Gericht ein, und Mr M'Ilvride stimmt schließlich zu, gegen Erstattung seiner Auslagen vom Kauf der Immobilie zurückzutreten.

Doch die Angelegenheit schien von wenig Erfolg gekrönt zu sein, und im Mai 1829 steht David Halley selbst vor Gericht - als Angeklagter. Seine Treuhänder werfen ihm nun vor, Gegenstände aus Haus und Brennerei in den vergangenen Monaten heimlich verkauft zu haben. Besonders genannt wurden hierbei eine kupferne Kühlspirale, mehrere Messinghähne, ein Stück Bleirohr, das ursprünglich als Wasserleitung gedient hatte, einige Fässer und andere kleinere Gegenstände, die zur Einrichtung der Brennerei gehörten.  Einige dieser Gegenstände waren von den Treuhändern sogar zurückgekauft worden. Man wollte offensichtlich die Brennerei in betriebsbereitem Zustand erhalten. Ob Schwager M'Robbie und der Notar Gowans ein größeres Eigeninteresse daran hatten, bleibt unserer Spekulation vorbehalten.

David Halley wehrt sich. Die Kühlspirale habe er nicht verkauft, sondern an Brennereibesitzer David Porteous ausgeliehen, der sich - wie wir inzwischen wissen - zu diesem Zeitpunkt selbst mitten im Konkursverfahren befand.  Außerdem, so David Halley weiter, sei er noch immer der Besitzer von Wohnhaus und Brennerei, und er habe einige Gegenstände aus seinem Besitz veräußern müssen,  um seine Familie vor dem Verhungern zu bewahren. Die Treuhänder hingegen vertreten den Standpunkt, dass ihnen der Besitz von David und Betsy komplett übereignet worden sein, David also kein Recht habe, Gegenstände zu entwenden.

Leider gibt uns der Text keinerlei Anhaltspunkt, wozu  Porteous die Kühlspirale von David denn eigentlich benötigte. Doch anders als David und Betsy darf Porteous in seinem Haus verbleiben, und betreibt auch nach kurzer Zeit wieder seine Brauerei. Es scheint, als hätten die Treuhänder von Porteous lediglich die Gerätschaften und Utensilien aus der Brennerei verkauft. David hingegen soll nach dem Willen seiner Treuhänder alle seine Immobilien und auch sein Haus verlieren, was einen geschäftlichen Neuanfang massiv behindern würde.

langwierige Rechtsstreitigkeiten

Der Rechtsstreit geht diesmal für David glimpflich ab. Es gelingt der Anklage nicht, die Richter von Davids Schuld zu überzeugen. An anderer Stelle hat David weniger Glück. Nachbar M'Ilvine hat in der Zwischenzeit seine Meinung geändert, und besteht auf Einhaltung des Kauf-Vertrages. Die Treuhänder reichen darauf hin ein Gesuch beim Sheriff in Perth ein, dass David und Betsy untersagt werden soll, weiterhin Haus und Destillerie zu benutzen.

Die beiden legen Widerspruch ein, doch am 23. Mai 1832 ist es soweit: David und Betsy müssen Haus und Hof räumen. Sie beziehen eine Mietwohnung am St. James Square, nicht weit von ihrem alten Haus entfernt. Dort zieht jetzt Mr M'Ilvrine ein, und vielleicht auch eine selig strahlende Mrs M'Ilvrine. Die Brennerei wird mit dazugehörigem Weideland verpachtet. Ob die Coldwells Distillery in der Folgezeit wieder von diesem Unterpächter in Betrieb genommen wurde, geht leider aus den Gerichtsunterlagen nicht hervor.

David Halley und seine Frau sind keinesfalls einvestanden mit dieser Entwicklung, sie gehen in die Berufung. Doch ihre Bemühungen bleiben ohne Erfolg. 1837 beantragt David "cessio bonorum", um einer Zwangsenteignung zuvorzukommen. Wieviel Hohn und Spott sie wohl ertragen mußten? Oder waren die Nachbarn mitfühlend mit ihnen?1840 unternehmen David und Betsy einen letzten Versuch, ihr Vermögen zurück zu bekommen, und klagen vor Gericht gegen ihre Treuhänder. Dabei macht Betsy geltend, dass der Trust, der nur aus ihrem Schwager und Notar Gowans bestand, keine Rechtswirksamkeit besitze, da der von ihr berufene Trust nicht aus zwei, sondern aus sechs Personen bestanden habe, der Trust also nie wirksam zustande gekommen sei und ihre Interessen als Inhaberin eines Nutzungsrechts auf Lebenszeit von den verbliebenen Personen nie berücksichtigt wurden.

Doch auch dieser letzte Versuch bleibt erfolglos, das Urteil des Gerichtshofes ist einstimmig: Betsy habe es versäumt, zusätzlich einen eigenen Trust einzuberufen, der ihre eigenen Interessen hätte verteidigen können. Zudem hätte sie sicher stellen müssen, dass die Personen, die sie als Treuhänder berufen hatte, auch ihr Amt wahrnehmen. Durch eine unbedachte Auswahl ihrer Treuhänder hatten David und Betsy Halley am Ende alles verloren.


1862 ist von der Coldwells Distillery keine Spur mehr zu sehen.

Doch die Sache ist damit noch nicht zuende, 1845 müssen sich die Gerichte noch einmal mit dem Fall befassen. Bei der Commercial Bank war ein Konto von David aufgetaucht, das beim Konkursverfahren zuvor übersehen worden war. Damals befanden sich 59 Pfund, 17 Shilling und 11 pence auf diesem Konto.   Am Ende wird auch dieses Geld den beiden Treuhändern übereignet.

Am 4. Juni 1846 stirbt David, über das weitere Schicksal von Betsy ist nichts bekannt.

Die Coldwells Distillery fand ein ebenso unrühmliches Ende wie ihre einstigen Besitzer. Die langen Rechtsstreitigkeiten, wirtschaftlich unsichere Zeiten und ein zunehmender Wassermangel in der Innenstadt während der Sommermonate hatten ihr den Garaus bereitet. 1862 ist die Coldwells Brennerei nur noch Legende.

Bis heute sichtbar: die Spuren der Vergangenheit....


Doch die einstigen Besitzer der Brennerei haben bis heute ihre Spuren hinterlassen. Ein Blick auf das Satelittenfoto verrät uns, dass die Wohngebäude, um die Betsy und ihr Mann jahrelang so erbittert wie erfolglos gekämpft hatten, noch immer an genau der gleicher Stelle stehen wie damals. Die schönen Obstbäume auf dem großen Grundstück sind leider verschwunden, doch an der Straßenecke jenes großen Weidelandes, wo sich einstmals die Brennerei befand, säumen noch immer alte Allee-Bäume den Straßenrand. Und auch nach zweihundert Jahren hat diese Ecke in Crieff kaum etwas von ihrer großzügigen  Weite einerseits und verwinkelter Behaglichkeit andererseits verloren, und ich kann durchaus nachvollziehen, dass der Verlust ihres Wohnrechtes Betsy wohl das Herz gebrochen hat.

Wie ruchlos der Notar und Treuhänder John Gowans sein konnte, wenn es um die Eintreibung von Schulden ging, hatte bereits einige Jahre zuvor ein anderer Brennereibesitzer, James Neilson aus Pittentian, zu spüren bekommen. Auch in diesem Falle griff Gowans zu zweifelhaften Maßnahmen, die die Existenz von Neilsons Bruder Peter massiv bedrohte. Machen wir uns also auf zu einem kurzen Abstecher zur Pittentian Brennerei, die nur einen Katzensprung von Crieff entfernt war..

(wird fortgesetzt)

Teil I: Balnakettoch

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