Klassisch oder Modern - Trendwende bei Talisker?

Bis heute zählt der Talisker 10 zu den großen Klassikern der Single Malts, und seit der Einführung der  "Classic Malts of Scotland"  1988 hat er einen wahren Siegeszug durch die privaten und öffentlichen Bars dieser Welt angetreten. 

In jüngster  Vergangenheit kamen in kurzer Folge einige Neuerscheinungen auf den Markt, und viel Kritik gab es seither. Zeigen die Neuen tatsächlich eine Trendwende an? 

Mit einer Kollegin habe ich 12 veschiedene Talisker-Versionen getestet, um die Unterschiede aufzuspüren. Und um den Besten aller Talisker zu finden.
 

Viele Jahre lang war die  Produktpalette bei Talisker  sehr überschaubar, und bestand im wesentlichen aus Talisker 10, 18 und 25 years sowie einer Distiller's Edition, die eine Nachreifung in ehemaligen Amoroso-Sherry-Fässern erhält. Doch seit 2005 hat Getränkekonzern Diageo, in dessen Besitz sich die Brennerei befindet, das Angebot kontinuierlich erweitert.

Anläßlich des 175jährigen Jubiläums der Brennerei wurde 2005 ein Talisker 175 herausgebracht, ein Jahr später folgte erstmals ein Talisker 30 years.

2007 erschien ein 12jähriger Talisker als Jubiläumsausgabe für die Friends of the Classic Malts, 2008 war die Markteinführung von Talisker 57°North, und  2010 erschien die exklusive Manager's Choice Single Cask Edition. 2011 kam ein 34jähriger Talisker hinzu, ein Jahr später noch ein 35jähriger als Limited Release.

2013 wurden gleich vier neue Abfüllungen herausgebracht: Talisker Storm, Talisker Dark Storm für den Travel Retail, Port Ruighe und eine 27jährige Sonderausgabe. 2014 kam mit dem Triple Matured noch eine besondere Edition für die Friends of the Classic Malts dazu.


Bei soviel Talisker kann man leicht den Überblick verlieren, und es drängen sich viele Fragen auf: Welche Flasche sollte man  in die eigene Bar stellen?  Welche hat das optimale Preisleistungverhältnis? Welchen sollte man unbedingt probiert haben? Sind die Neuen besser oder schlechter als die Alten? Wie wird es weiter gehen, was wird die Zukunft bringen? Und natürlich - welcher ist denn wohl  der Beste?

Um diese Frage beanworten zu können, habe ich gemeinsam mit einer whiskybegeisterten Kollegin  ein großes Talisker Vergleichstasting durchgeführt. Die Idee dazu hatte ich schon länger, aber es hat einige Wochen gedauert, bis ich die entsprechenden Abfüllungen zusammen hatte. Am vergangenen Wochenende war es dann endlich so weit: zwölf der 15 möglichen Abfüllungen von Talisker standen uns zur Verfügung,  und wir haben  uns zu einem Arbeits-Trinken in meiner Küche getroffen, um gemeinsam den besten aller Talisker zu finden.



1. Talisker Storm, 45.8%vol., 70 cl

Ohne Altersangabe. Junge Refill-Fässer  werden mit älteren Rejuvenated Casks, also wiederaufbereiteten Fässern, vermischt. Angeblich von Diageos Master Blender für Johnnie Walker, Jim Beveridge, kreiert.

Aroma: duftig, fruchtig, Obst, Apfel, versteckter Karamell, deutliche Rauchnote, frische Seeluft, Westküstenwind.

Geschmack: sehr süß, würzig-mild, zart rauchig

Nachklang: mittelstark, kein Beißen, weich, bleibt aber im Rachen hängen

Mein Tipp:
Obwohl der Sturm süßer und rauchiger und auch teurer ist als der Talisker 10, gehört er für mich an den Anfang eines Line-up, denn er ist deutlich leichter, eleganter, schlanker und moderner als der 10 Years. Ein schöner Dram für laue Sommerabende.

2. Talisker Dark Storm, 45.8%vol., 100 cl

Ein-Liter-Flasche für den Travel Retail. Wurde angeblich entwickelt, um dem Wunsch der Konsumenten nach mehr Rauch nachzukommen. Stark ausgebrannte Fässer.

Aroma: Rauchiger, dunkler, intensiver und komplexer als der einfache Storm. Mit einem Hauch Karamel und versteckten Fruchtnoten von frischem Apfel und Mandarine.

Geschmack: dunkler, die Süße ist noch vorhanden, wird aber stärker vom Rauch überlagert

Nachklang: mittellang, mehr im Rachenraum

Mein Tipp:
Dark Storm ist der rauchigste aller Talisker, die Süße macht ihn, ebenso wie den Storm, angenehm süffig. Doch wer von Islay kommt, sollte keine falschen Vorstellungen entwickeln. Wenn Talisker stürmt, dann tobt bei Caol Ila  ein Orkan im Glas.


3. Talisker 10 years, 45.8%vol., 70 cl

Aroma:  etwas Rauch, Salzluft, Apfel, altes Holz, nasser Waldboden, feine Honigsüße. Ganz versteckt auch feine Räucherwurst.

Geschmack: Rauch, Leder, würzig, Ingwer, scharfer Pfeffer

Nachklang: wirkt noch lange im gesamten Rachenbereich und vor allem auf der Zungenspitze.

Mein Tipp:
Der große Klassiker, auch im Geschmack. Preislich liegt er meist noch unterhalb des Talisker Storm und bietet somit das beste Preisleistungsverhältnis. Er ist weniger rauchig und auch weniger süß als die beiden "Storm"-Varianten, aber vielschichtiger und markanter. Geschmacklich ein Vorbote des 12jährigen.



4. Talisker Triple Matured Edition, Exclusive to the Friends of the Classic Malts, 48%vol.,

Limitiert. Erhältlich im vornehmen online-shop von Diageo, Alexander&James. Die Pressemeldung spricht von einer "Dreifachen Reifung": refill casks, charred (ausgebrannte) Hogsheads aus amerikanischer Eiche und Refill Casks aus Europäischer Eiche.

Interessant ist der "Triple Matured"  wegen seiner Art der Fassreifung. Bemerkenswert ist vor allem die Formulierung der Pressemitteilung. Drei verschiedene Fassreifungsarten wurden benutzt, das Wort "refill" kommt aber nur zweimal vor. Was darauf schließen lässt, dass es sich bei den stark ausgebrannten Fässern entweder um neue oder um aufbereitete Fässer  handelt. Das würde meinen Verdacht bestätigen, dass wiederaufbereitete Fässer zu einem  ganz anderen Aroma-Profil führen als die "klassischen" Fässer. Ich vermute, dass der Whisky in diesen Fässern  weicher, filigraner  und zarter wird, vielleicht auch süßer.

Aroma: würzige Süße, aber etwas dumpf, Kaminrauch, fruchtige Zitrusnoten.

Geschmack: süß, etwas flach, erdig, zarter Rauch. Sehr ölig und filigran.

Nachklang: schwupps und weg. Zu kurz.


Mein Tipp:
Vom Grundgeschmack her ein typischer Talisker, aber sehr filigran. Ein netter Malt für einen Sonntag-Nachmittag. Leider hatte ich diese Abfüllung deutlich überschätzt und sie deshalb ursprünglich im Line-up nach dem Talisker 12 einsortiert, wo er aufgrund seiner Zartheit ganz und gar nicht überzeugen konnte, er ging im Anschluss an den 12jährigen völlig unter und mit den "Alten" kann er auf keinen Fall mithalten. Wir haben ihn schließlich noch vor den 57°North einsortiert, und an dieser Position kommt er sehr viel besser zur Geltung. Dadurch entsteht jedoch ein  ungünstiges Preis-Leistungs-Verhältnis, denn der 57°North bietet deutlich mehr für weniger Geld.






5. Talisker 57°North, 57%vol., 70 cl

Der Name soll daran erinnern, dass der Whisky von Talisker weit im Norden von Schottland entsteht: die Brennerei befindet sich auf dem 57. Breitengrad. Und auch abgefüllt wird  mit 57 vol.%.
Gereift in Fässern aus amerikanischer Weißeiche, in denen zuvor 4 Jahre lang Bourbon lagerte.

Aroma: frisches, helles Obst, malzig, würzig. Mit Wasser werden die Zitrusnoten betont, er wird herrlich frisch, verliert aber an Wucht. Insgesamt wirkt er nach Zugabe von etwas Wasser  spritzig und jugendlich. Kaum Vanille.

Geschmack: würzig, kräftig, nussig, leicht ölig.  Ein paar Tropfen Wasser tun ihm gut, er wird milder, weicher. Ohne Zugabe von Wasser ist er so bissig wie ein Wintertag im hohen Norden.

Nachklang: bizzelt sehr schön auf der Zungenspitze


Mein Tipp:
57%vol. entsprechen 100 Britischen Proof. Ein Muss für Freunde von Fass-Stärken.

6. Talisker 12 years, 45.8%vol., 70 cl

Limitierte Sonderabfüllung (21.500 Flaschen). 45,8%vol. Wurde im November 2007 herausgebracht, um den 10. Jahrestag der Freunde der Classic Malts zu feiern. Der Ausgabepreis lag damals um die 50 Euro. Gelegentlich kann man noch eine Flasche finden, allerdings ist er inzwischen etwas teurer, so um die 75 Euro. 


Aroma: herber, männlicher als der Talisker 10. Holziger. Sehr komplex, kräftiges Brot, Pilze, Champignons, erdig, modrig, nasses Leinen, altes Holz, zarter Rauch. Meine Kollegin ist segel-erprobt und sagt, der Talisker 12 riecht wie ein gutes, altes Boot.

Geschmack: erdig, Seewasser, rauchig, voller als der Talisker 10, kantiger, ganz klassisch, cremig

Nachklang: erst wird die Zungenspitze taub, dann geht's angenehm den Hals hinab

Mein Tipp:
Für meine Kollegin und mich war der 12jährige eindeutig bis hierhin der Beste. Er wäre  wohl die Abfüllung, die ich auf jeden Fall immer in meiner Bar stehen hätte, wenn er zur Core Range gehören würde. Eigentlich unfassbar, dass es den 12jährigen Talisker nicht als Standard gibt!


 




Morgen geht es weiter....
Es folgen: 
Talisker Port Ruighe, 175, 18, 20, 25, und die Distillers Edition.




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