Lost Distilleries: Elizabeth Harvie and the Paisley Connection. Teil I

Im Januar 1799 findet in Paisley, bei Glasgow, ein Treffen der ortsansässigen Destillateure statt. Sechs Männer und eine Frau sind der Einladung des Steuerbeamten John Wright gefolgt. Eine solche Konzentration von Brennerei-Besitzern in nur einem Ort wäre schon Grund genug zum Staunen. Doch auch die Dinge, die auf dieser Sitzung gesagt werden, sind äußerst denkwürdig, und werfen unglaublich lange Schatten voraus. Unsere Spurensuche führt uns diesmal zu den Ursprüngen der Macht.


Paisley 1693. National Library of Scotland


Als sich die sieben Brennerei-Besitzer von Paisley - sechs Männer und eine Frau - an einem kalten Wintertag in Paisley treffen, herrscht großer Unmut in der Whisky-Branche. Anderthalb Jahre zuvor, im Juli 1797, hatte die Regierung in London in den schottischen Highlands die Brenn-Steuern erhöht und einen zusätzlichen Steuerbezirk etabliert - neben Lowlands und Highlands gab es nun auch noch den Intermediate District. Für jeden Bereich galten unterschiedliche  Steuersätze, die seit Jahren kontinuierlich gestiegen waren, und für England galten wieder andere Gesetze.

Die Neuregelungen stießen auf viel Widerstand, die Hälfte aller Brennereien in den Highlands wurden innerhalb von nur einem Jahr geschlossen, die Zahl der illegalen Brennblasen stieg sprunghaft an, die Lowlands wurden mit geschmuggeltem Schnaps überschwemmt. Die Regierung rief darauf hin überall im Land Kommissionen ins Leben, die den Zustand des Brennerei-Wesens beleuchten und Vorschläge zu einer besseren Steuerregelung machen sollten.

Elizabeth Harvie und ihre sechs Kollegen in Paisley waren an jenem Tag genau zu diesem Zweck zusammen gekommen, und die überlieferten Protokolle geben uns einen guten Einblick in die damalige Situation. Auch die Namen der Teilnehmer sind überliefert. Neben Elizabeth Harvie sitzen noch Peter Wright, Mathew Brown, Robert Menzies, James Macfarlane, Daniel Macfarlane, und James Harvie in dieser Runde.

Über Elizabeth erfahren wir einiges. Sie bewirtschaftet 1799 eine Farm vor den Toren der Stadt, Gallowhill, die sie von ihrem verstorbenen Mann James übernommen hat. Mit großer Wahrscheinlichkeit besitzt Elizabeth, wie damals üblich, als Witwe das Nutzungsrecht auf Lebenszeit. Auf dem Gelände befinden sich auch üppige Wasserquellen, die für ihre gute Qualität bekannt sind, und Elizabeth betreibt zusätzlich noch eine Brennerei.

Ihr Whisky genießt einen sehr  guten Ruf, er gehört zu den besten in der Region. Elizabeth achtet auf den richtigen Winkel zwischen Brennblasenkopf und Kühlspirale und sie ist bekannt dafür, dass sie für letztere immer nur Kupfer benutzt, kein Aluminium. Zwar sind Kupferspiralen schwieriger zu reinigen, weil sich sehr schnell Grünspan ansetzt, und sie sind auch teurer, doch Elizabeth ist überzeugt, dass der Whisky dadurch besser wird. Sie legt auch großen Wert auf Sauberkeit.

Paisley 1795; Gallowhill Farm. National Library of Scotland

Man merkt deutlich, dass die Frau Ahnung hat vom Geschäft, und bei den Kollegen großen Respekt genießt. Sie hat auch genaue Vorstellungen für eine Neuregelung des Steuersystems: sie will am liebsten kleine Brennblasen in unbegrenzter Menge, um zu verhindern, dass die Großen immer größer werden, und um die Landwirte zu unterstützen. Dabei war ihre eigene Brennerei gar nicht so klein - mengenmäßig lag sie mit 12.868 Gallonen pro Jahr immerhin auf Platz drei der sieben Brennereien in der "Paisley-Collection", wie der Steuerbezirk genannt wird. Doch mit ihrer Idee steht sie alleine da.

Robert Menzies, Matthew Brown und David Macfarlane haben ganz andere Vorstellungen. Sie wollen als Mindestgröße 90 Gallonen, das ist mehr als das dreifache von Elizabeths Vorschlag. Dafür wollen sie auch nur halb so viel Steuern zahlen. Der Unterschied zu Elizabeths Vorschlag ist gravierend, und wirft so manche Frage auf.

Wie konnte es zu einer so unterschiedlichen Einschätzung kommen? War Elizabeth besonders naiv? Oder haben diese drei Männer andere, größere Träume geträumt als die anderen?  Hat Elizabeth damals erkannt, dass es schon bald die kleinen Farmbrennereien in den Lowlands nicht mehr geben würde? Wer waren diese Männer, die in wenigen Jahren zu den Mächtigsten der Branche gehören würden, und denen Elizabeth so vehement entgegen trat?

Begeben wir uns auf Spurensuche nach den Ursprüngen der Macht...


Saucel, ca. 1828. National Library of Scotland


1. Peter Wright

Der Whisky von Peter Wright hat ebenso wie der von Elizabeth einen ausgezeichneten Ruf, und auch Peter scheint sehr auf traditionelle Methoden und Kupfermaterial zu setzen. Er hat sich beim offiziellen Treffen der Brenner 1799 dezent zurückgehalten, seine Meinung ist nicht überliefert.

Peter stammt aus einer Brennerfamilie und er hat eine enge Verbindung zur Saucil-Brennerei. Zusammen mit Robert und John Wright finden wir ihn bereits 1790/1791 als Brauer und Destillateur im Stadtteil Sasil (Sacel/Saucel), am südlichen Ende der Stadt und in unmittelbarer Nähe zum Fluss, wo Robert - vermutlich der Vater von Peter und John - die Saucil-Brennerei besaß.

Courage Hill, Abbey Parish, 1800. National Library of Scotland

In diesem Bereich der Stadt sind noch drei weitere Brenner angesiedelt: William Fleming (distiller/shopkeeper) und William McLeod, sowie Archibald Yool/Yuill (distiller/changekeeper) wohnen hier ebenfalls. Die Lage am südlichen Ende der Stadt ist überaus günstig: Saucel ist von einem Fluss und zwei Bächen umgeben, an Wasser mangelt es hier also keineswegs. Zudem ist der Fluss seit 1787 auch für kleinere Schiffe befahrbar, und bietet damit einen Verkehrs-Anschluss an den Clyde. Einen Katzensprung entfernt, am Courage Hill, befindet sich die Brennerei von William Ramsay.

Paisley ist schon früh ein Zentrum der Textilverarbeitung. Durch die zunehmende Industrialisierung wächst die Stadt rasant an, die vielen Arbeiter in den zahlreichen Textilfabriken von Paisley sind eine zahlungskräftige Käuferschicht, und die Nachfrage nach gutem Schnaps ist groß.

Einer der bekanntesten Whisky-Brenner in Paisley aus jener Zeit ist wahrscheinlich der Weber Alexander "Saunders" Wilson, der auf der anderen Flußseite von Saucel, in Seedhills, lebte, und in seinem Garten eine kleine, illegale Brennerei unterhielt. 1783 zog er sich zunächst in das 16 km entfernte Lochwinnoch zurück, drei Jahre später wohnte er am Tower of Auchinbath, wo er alten Berichten zufolge mit Hilfe seiner Nachbarn ein Brennhaus errichtete und Whisky brannte. Steuern hat er auch dort nicht bezahlt. Sein Sohn gleichen Namens ging später nach Amerika und wurde als Dichter und Ornithologe berühmt. Nach ihm wurde später in Seedhills auch "Wilson's Place" benannt.

Die vielen illegalen Brennblasen der Region stellten für die lizenzierten Brennereien eine unwillkommene Konkurrenz dar. Bei einer Versammlung am 6. Oktober 1786 faßten letztere den Beschluss, gegen die illegalen Brenner vorzugehen. Sie gründeten eine Gemeinschafts-Kasse, in die jeder entsprechend der Größe seiner Brennblasen Geld einzahlte, um damit das Aufspüren von illegalen Brennblasen zu finanzieren.




Fleming, Ramsay und McLeod scheinen diese Maßnahmen wenig geholfen zu haben, acht Jahre später ist von ihnen keine Spur mehr zu sehen. Auch John Neilson und Duncan MacGregor, distillers in Paisley, sind im October 1790 bankrott. Die Steuerpolitik der Regierung in London dürfte zum ihrem Untergang mit beigetragen haben. Innerhalb von nur 5 Jahren hatte sich die Steuerlast in den Lowlands dramatisch vervielfacht.

Halten wir also an dieser Stelle kurz inne und werfen einen Blick auf die damaligen Steuerraten in den Lowlands (Quelle: Vivian Dietz, The Politics of Whisky, 1997)

November 1784: 5d. wash duty per gallon of fermented wash
Juli 1786: £1 10s license duty
Juli 1788: £3 license duty
Juli 1793: £9 license duty
Oktober 1795: £ 18 license duty.
Wegen Getreidemangel ist das Brennen von Getreide vom 7. September 1795 bis 26. Oktober 1796 verboten.
Dezember 1796: £ 54 license duty
Juli 1799: £54. Als Maßnahme gegen die sogenannte "rapid distillation" wurde zusätzlich eine "surplus" Steuer von 2s. 6d. für jede Gallone Überausbeute erhoben
Die Steuer-Entwicklung spielt vor allem den großen Betrieben in die Hände. Für Nebenerwerbs-Brenner wird es hingegen zunehmend schwieriger, die steigenden Gebühren für die Lizenz aufzubringen.

Im Mai 1791 trifft es auch Robert Wright, distiller at Saucil of Paisley: er muss Bankrott anmelden. Doch wenige Jahre später ist Peter Wright wieder  gut im Geschäft.  Mit 14.558 Gallonen Jahresproduktion liegt er 1799 auf Platz 2 der Rangliste in Paisley, nur Matthew Brown produziert mehr als er.



Beide Männer haben sich gewiß einiges versprochen von den vielen Kommissions-Treffen, die im Auftrag des Parlaments zwischen 1798 und 1799 durchgeführt wurden. Das Ergebnis muss eine herbe Enttäuschung für sie gewesen sein: die Steuer wird im Jahr 1800 noch einmal gewaltig erhöht, ab November 1800 beträgt die Lizenzgebühr £108. Hinzu kommen 6d. für jede produzierte Gallone plus 3s. pro Gallone Überausbeute.

Doch damit nicht genug: die Ernte ist in diesem Jahr ungewöhnlich schlecht, und die Getreidepreise schnellen in die Höhe. Die Regierung will auf keinen Fall noch einmal solche Ausschreitungen und Aufstände erleben wie bei der Mißernte 1784, als die Getreidevorräte der Brennereien in Edinburgh das Ziel eines aufgebrachten Mob waren. Das Parlament beschließt ein generelles Brennverbot für Sprituosen aus Getreide, das bis 1802 verlängert wird. 

Die sich  immer wieder veränderten Steuerbedingungen einerseits sowie die periodisch wiederkehrenden Missernten andererseits führen dazu, dass nach 1800 die Zukunft für die Malz-Brenner in den Lowlands düster aussieht. Auch Peter Wright gibt in dieser Phase das Brennereiwesen auf und verdient sich in Zukunft sein Geld mit anderen Aktivitäten.

Doch für die Saucel-Brennerei ist das Ende noch längst nicht gekommen. Sie wird schon bald wieder in Betrieb benommen und hat eine glorreiche Zukunft vor sich, wie wir gleich sehen werden.




Fortsetzung: Teil II



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ardbeg Kelpie - was Bill Lumsden dazu sagt.

THEMA: Tips für ein gelungenes Whisky-Tasting - die 10 besten Formate und was ihr dabei beachten solltet

Searching for the true story: The Real Glenlivet

From Agnes to Edrington. The true story of Robertson & Baxter (told from a female perspective). Part One.

Whisky-Fair Limburg: Exclusive Interview with Whisky-Collector Diego Sandrin, Italy

EVENT: Abschied und Neuanfang - Keep Walking on Norderney (Whisky & Food Pairing)